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O r i g i n a l i a
Anthroposophische Therapie bei chronischer Depression:eine vierjährige prospektive Kohortenstudie H a r a l d J . H a m r e 1 , C l a u d i a M . W i t t 2 , A n j a G l o c k m a n n 1 , R e n a t u s Z i e g l e r 3 , S t e f a n N . W i l l i c h 2 , H e l m u t K i e n e 1 Dies ist die deutsche Übersetzung der Publikation Hamre HJ, Witt CM, Glockmann A, Ziegler R, Willich SN, Kiene H. Anthroposo-phic therapy for chronic depression: a four-year prospective cohort study. BMC Psychiatry 2006; 6(57): doi:10.1186/1471-244X-6-57.
Die Originalpublikation ist auf http://www.biomedcentral.com/1471-244X/6/57 abrufbar.
letzten Follow-up erhalten. Nach 12 Monaten und später hatten 52 %–56 % der auswertbaren Patienten (35 %–42 % aller Patienten) einen um mindestens ■ Zusammenfassung
50 % ihres ADS-L-Ausgangswertes verbesserten Wert.
Hintergrund: Depressive Störungen sind weit verbrei- Patienten, die in den ersten sechs Studienmonaten tet, verursachen erhebliche Funktionsstörungen und weder Antidepressiva noch Psychotherapie hatten sprechen nicht immer auf Standardtherapien (Psycho- (55 % der Patienten), erfuhren eine ähnliche Verbes- therapie, Antidepressiva) an. Die anthroposophische Behandlung depressiver Störungen weist einige Schlussfolgerung: Bei ambulant behandelten Patien- Unterschiede zur üblichen Therapie auf: es werden ten mit chronischer Depression wurden unter anthro- künstlerische und physikalische Therapien und posophischen Therapien lange anhaltende Verbesse- spezielle Arzneimittel angewendet. Wir untersuchten rungen beobachtet. Obwohl das Prä-Post-Design der den Krankheitsverlauf unter anthroposophischer vorliegenden Studie keine Schlussfolgerung hinsicht- lich vergleichender Wirksamkeit (engl. comparative Methodik: 97 ambulant behandelte Patienten aus effectiveness) zulässt, legen die Studienergebnisse 42 Arztpraxen in Deutschland nahmen an einer pro- nahe, dass der anthroposophische Ansatz, mit spektiven Kohortenstudie teil. Die Patienten waren Rückgriff auf nonverbale und künstlerische Übungs- 20 –69 Jahre alt und wurden zu einer Anthroposo- therapien, hilfreich sein kann für Patienten, die zur phischen Therapie (Kunsttherapie, Heileurythmie Durchführung dieser Therapien motiviert sind.
oder Rhythmische Massage) überwiesen oder began- ■ Schlüsselwörter
nen mit einer anthroposophisch-ärztlichen Therapie (Beratung, Arzneitherapie) wegen Depression: depres- sive Verstimmung, mindestens zwei von sechs weite- ren depressiven Symptomen, Mindestdauer sechs Mo- nate, mindestens 24 Punkte auf der Allgemeinen De- pressionsskala-Langform (ADS-L, Range 0–60 Punkte).
Zielparameter waren die ADS-L (Hauptzielparameter) und der SF-36 nach 3, 6, 12, 18, 24 und 48 Monaten. DieDaten wurden von Juli 1998 bis März 2005 erhoben.
Ergebnisse: Im Median fanden 14 (Interquartilbereich12–22) Behandlungen mit Anthroposophischer Kunst-therapie, Heileurythmie oder Rhythmischer Massagestatt, die mediane Therapiedauer betrug 137 (91–212) Tage. Alle Zielparameter verbesserten sich zwischen Aufnahme und allen folgenden Follow-ups signifi- kant. Die Verbesserungen zwischen Aufnahme und 12 Monaten waren: ADS-L von durchschnittlich (Stan- dardabweichung) 34,77 (8,21) auf 19,55 (13,12) Punkte (p < 0,001), SF-36 Psychische Summenskala von 26,11 (7,98) auf 39,15 (12,08) (p < 0,001) und SF-36 Körper- liche Summenskala von 43,78 (9,46) auf 48,79 (9,00) (p < 0,001). All diese Verbesserungen blieben bis zum A n t h r o p o s o p h i s c h e T h e r a p i e b e i c h r o n i s c h e r D e p r e s s i o n Conclusion: In outpatients with chronic depression, anthroposophic therapies were followed by long-term clinical improvement. Although the pre-post design ■ Abstract
of the present study does not allow for conclusions Background: Depressive disorders are common, cause about comparative effectiveness, study findings considerable disability, and do not always respond to suggest that the anthroposophic approach, with its standard therapy (psychotherapy, antidepressants).
recourse to non-verbal and artistic exercising thera- Anthroposophic treatment for depression differs from pies can be useful for patients motivated for such ordinary treatment in the use of artistic and physical therapies and special medication. We studied clinical ■ Keywords
outcomes of anthroposophic therapy for depression.
Methods: 97 outpatients from 42 medical practices in Germany participated in a prospective cohort study.
Patients were aged 20–69 years and were referred to anthroposophic therapies (art, eurythmy movement exercises, or rhythmical massage) or started physi- cian-provided anthroposophic therapy (counselling, medication) for depression: depressed mood, at leasttwo of six further depressive symptoms, minimumduration six months, Center for Epidemiological Stu-dies Depression Scale, German version (CES-D, range0–60 points) of at least 24 points. Outcomes wereCES-D (primary outcome) and SF-36 after 3, 6, 12, 18,24, and 48 months. Data were collected from July1998 to March 2005.
Results: Median number of art/eurythmy/massagesessions was 14 (interquartile range 12–22), mediantherapy duration was 137 (91–212) days. All outcomesimproved significantly between baseline and all sub-sequent follow-ups. Improvements from baseline to12 months were: CES-D from mean (standard deviati-on) 34.77 (8.21) to 19.55 (13.12) (p < 0.001), SF-36 MentalComponent Summary from 26.11 (7.98) to 39.15 (12.08)(p < 0.001), and SF-36 Physical Component Summaryfrom 43.78 (9.46) to 48.79 (9.00) (p < 0.001). All theseimprovements were maintained until last follow-up.
At 12-month follow-up and later, 52 %–56 % of evalu-able patients (35 %–42 % of all patients) were impro-ved by at least 50 % of baseline CES-D scores. CES-Dimproved similarly in patients not using antidepres-sants or psychotherapy during the first six studymonths (55 % of patients).
O r i g i n a l i a
Hintergrund
dialogische Kommunikation mit dem Therapeuten und Depressive Störungen stellen ein erhebliches Ge- dem künstlerischen Medium (23,24)) kann die KT auch sundheitsproblem dar. Ein Viertel bis ein Drittel physiologische Effekte haben: z. B. können die Sprach- der Frauen und ein Sechstel der Männer sind min- übungen der KT Auswirkungen auf die Herzfrequenz- destens einmal im Leben von einer depressiven Störung variabilität und die kardiorespiratorische Synchronisation betroffen (1). Jeder zehnte Patient,der einen Hausarzt be- haben, welche nicht allein durch spontanes oder kontrol- sucht, hat eine depressive Störung, aber bei der Hälfte liertes Atmen hervorgerufen werden können (25, 26).
dieser Patienten wird die Depression vom Arzt nicht Die Heileurythmie (HE; griechisch: Eurhythmie = harmonischer Rhythmus) ist eine aktiv-übende Thera- In Europa sind depressive Störungen die dritthäu- pie, die kognitive, emotionale und willensgeprägte figste Ursache für eine Beeinträchtigung (3). Verglichen Elemente beinhaltet (27).Während der HE-Therapiestun- mit der Normalbevölkerung haben Patienten mit Major den werden die Patienten dazu angeleitet, spezielle Depression ein 20fach erhöhtes Selbstmordrisiko (4).
Bewegungen mit den Händen, den Füßen oder dem Depressive Störungen sind auch mit größerer Morbidi- ganzen Körper auszuführen. HE-Bewegungen sind mit tät und Mortalität durch somatische Erkrankungen ver- dem Klang von Vokalen und Konsonanten, mit Toninter- bunden, einschließlich koronarer Herzerkrankungen (5).
vallen, oder mit seelischen Gesten wie z. B. Sympathie- Standardtherapien bei depressiven Störungen sind Antipathie verwandt. Zwischen den Therapiestunden Antidepressiva und/oder Psychotherapie. Sogar unter üben die Patienten täglich HE-Bewegungen (28). Man den optimalen Bedingungen einer klinischen Studie geht davon aus, dass HE sowohl generelle Wirkungen spricht jedoch die Hälfte der eingeschlossenen Patien- (z. B. verbesserte Atmung und Haltung, Stärkung des ten nicht auf neuere Antidepressiva an (6), und bis zu Muskeltonus, Steigerung der Vitalität (11)) als auch zwei Drittel der Patienten, die wegen Psychotherapie in eine Studie kommen, brechen die Behandlung entweder Die Rhythmische Massage (RM) wurde von Ita Weg- ab oder haben von der Psychotherapie keinen bedeutsa- man, Ärztin und Physiotherapeutin, aus der Schwedi- schen Massage entwickelt (13). In der RM werden die Außerdem gelten die Ergebnisse randomisierter Stu- fünf Grundgriffe der klassischen Massage (Effleurage, dien zu Antidepressiva bzw. Psychotherapie nicht für die86 % bzw. 68 % der Patienten mit klinischen Merkmalen, Petrissage, Friktion, Tapotement, Vibration) durch sau- die zum Studienausschluss führen (7, 8). Somit bleibt die gende und rhythmisch schwingende, streichende Bewe- Standardtherapie depressiver Störungen für einen gro- gungen ergänzt, wobei die Griff- und Bewegungsqua- ßen Teil der Betroffenen unbefriedigend oder unzurei- litäten abgewandelt werden, um spezifische Effekte zu Die Anthroposophische Medizin (AM) wurde in den Die AM-Arzneimittel sind mineralischen, botanischen 1920er Jahren von Rudolf Steiner und Ita Wegman be- oder zoologischen Ursprungs und werden meistens in ho- gründet (9). In 67 Ländern weltweit wird AM von Ärzten möopathischen Verdünnungen verwendet (31).
und Therapeuten angewandt (10). Die AM erkennt eine In kleinen Beobachtungsstudien an stationär behan- spirituell-existentielle Dimension im Menschen an, die delten Patienten mit Depression wurden positive Effek- mit psychologischen und somatischen Ebenen sowohl te durch AM-Einzelkomponenten gefunden (15, 16, 32).
im gesunden als auch im kranken Zustand interagiert.
Hier präsentieren wir eine Studie zu multimodaler Die AM-Therapie für Depression zielt darauf hin, konsti- AM-Therapie bei ambulant behandelten Patienten mit tutioneller Vulnerabilität entgegenzuwirken, salutoge- netische Selbstheilungsprozesse anzuregen und die Methoden
Autonomie des Patienten zu stärken (11).
Studiendesign und Fragestellung
Der anthroposophische Ansatz unterscheidet sich von der üblichen Depressionstherapie durch die Anwen- Die vorliegende prospektive vierjährige Kohortenstu- dung nonverbaler künstlerischer und physikalischer The- die wurde unter den Bedingungen der therapeutischen rapien (12–16) und AM-Arzneimittel (17, 18) sowie durch Alltagsrealität durchgeführt. Die Studie wurde im Rah- die existentialistische und biografische Ausrichtung der men eines Krankenkassen-Modellprojekts zur AM ini- anthroposophisch orientierten Beratung und Psycho- tiiert und war Teil eines Forschungsprojekts zu Nutzen therapie (19,20). Im Einklang mit neueren Leitlinienemp- und Kosten von AM-Therapien chronisch Kranker im fehlungen (21) werden konventionelle Antidepressiva ambulanten Sektor (Anthroposophische Medizin Out- nicht als Ersttherapie bei leichten Depressionen verwen- comes-Studie, AMOS (33, 34)). Die primäre Fragestellung det. Bei schwerer Depression wird jedoch die AM-Thera- war: Ist die ambulante AM-Therapie depressiver Störun- pie häufig mit Antidepressiva kombiniert (17).
gen verbunden mit einer klinisch relevanten Verbesse- Bei der Anthroposophischen Kunsttherapie (KT) übt rung der depressiven Symptomatik? Weitere Fragestel- der Patient Malen, Zeichnen, Plastizieren, Musik oder lungen betrafen den Gesundheitsstatus,die Inanspruch- Sprachgestaltung (22). Zusätzlich zu psychologischen nahme zusätzlicher Therapien, die Nebenwirkungen Auswirkungen (z. B. Aktivierung, emotionaler Ausdruck, und die Zufriedenheit mit der Therapie.
A n t h r o p o s o p h i s c h e T h e r a p i e b e i c h r o n i s c h e r D e p r e s s i o n Studiensetting, Teilnehmer und Therapie
Krankheitsscore (globale Einschätzung durch den Die teilnehmenden Ärzte waren durch die Gesell- Arzt, dokumentiert bei Patienten, die bis zum 30.
schaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland für das September 2000 aufgenommen wurden); Symp- AM-Modellprojekt qualifiziert und waren in einer Praxis tomscore (globale Einschätzung der bis zu sechs oder Klinikambulanz in Deutschland tätig. Die teilneh- wichtigsten Symptome bei Studienaufnahme, doku- menden Therapeuten waren qualifiziert durch den Be- mentiert bei Patienten, die ab 1. Januar 1999 aufge- rufsverband Anthroposophische Kunsttherapie (KT), den Berufsverband Heileurythmie (HE) bzw. den Berufsver- Der Krankheitsscore wurde nach 0, 6 und 12 Monaten dokumentiert, die anderen Zielparameter nach 0, 3, 6, 12, Die Ärzte wurden angehalten, konsekutiv Patienten in die Studie aufzunehmen, die die Aufnahmekriterien Andere Zielparameter
• Therapiebewertungen wurden nach sechs und 12 Monaten dokumentiert: Patientenbewertung des 2. depressive Verstimmung und mindestens zwei der Therapieerfolges, Patientenzufriedenheit mit der folgenden Symptome (DSM-IV Symptome für Dys- Therapie, Wirksamkeitsbeurteilung der KT/HE/RM thyme Störung): Appetitstörung, Schlafstörung, Er- schöpfung, geringes Selbstwertgefühl, Konzentra- • Nebenwirkungen durch Arzneimittel oder Therapien tions- oder Entscheidungsschwäche,Gefühl der Hoff- wurden während der ersten 24 Studienmonate doku- mentiert: Ursache, Intensität (leicht / mittel / schwer 3. Symptomdauer von mindestens sechs Monaten, ≈ wird bemerkt, jedoch gut toleriert / beeinträchtigt 4. mindestens 24 Punkte auf der Allgemeinen Depres- tägliche, normale Tätigkeit / verhindert normale Tätigkeit vollständig); Schwere Unerwünschte Ereig- 5. Beginn einer AM-Therapie wegen depressiver Symp- nisse wurden ebenfalls dokumentiert. Diese Erhe- tomatik: Überweisung zu einem AM-Therapeuten bungen erfolgten sowohl durch die Ärzte als auch (KT, HE oder RM) oder Beginn einer durch den Studi- enarzt verordneten AM-Therapie (MED: AM-bezoge-ne Beratung, AM-Arzneitherapie) nach einer erstma- Datenerhebung
ligen AM-bezogenen Arztkonsultation von mindes- Die Studiendaten wurden mittels Fragebogen erho- ben, welche in verschlossenen Kuverts direkt ans Studi- Ausschlusskriterium war eine frühere AM-Therapie ensekretariat zurückgeschickt wurden. Ärzte dokumen- (KT, HE, RM bzw. eine AM-Konsultation von mindestens tierten die Einschlusskriterien Nr. 2 und 3 und AM-bezo- gene Konsultationen; Therapeuten dokumentierten die Die Entscheidung, eine AM-Therapie wegen Depres- Durchführung der KT/HE/RM; alle anderen Erhebungs- sion zu beginnen, erfolgte unter den Bedingungen der inhalte wurden,soweit nicht anders angegeben,von den therapeutischen Alltagsrealität des Arztes. Die Behand- Patienten dokumentiert. Die Patientenangaben wurden lung erfolgte nach Ermessen von Arzt und Therapeut.
nicht an die Ärzte weitergegeben. Die Ärzte erhielten AM-Therapien (KT, HE, RM und MED) wurden als The- für den Einschluss und die komplette Dokumentation rapiepaket evaluiert; andere Therapien einschließlich eines Patienten 40 Euro; die Patienten erhielten keine Psychotherapie und Antidepressiva wurden als Nicht- Die Daten wurden zweimal von zwei verschiedenen Personen in Microsoft® Access 97 eingegeben. Die zwei Klinische Zielparameter
Datensätze wurden miteinander verglichen und Un- • Hauptzielparameter war die ADS-L (35), deren Skalen- stimmigkeiten durch Vergleich mit den Originaldaten bereich von 0 („keine depressiven Symptome“) bis 60 („maximale Symptomatik“) geht. Bei der ADS-L doku- Qualitätssicherung, ethische Belange
mentieren die Patienten die Häufigkeit 20 verschie-dener Symptome in der letzten Woche jeweils von 0 Die Studie wurde durch die Ethikkommission der Me- dizinischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin („selten oder überhaupt nicht ≈ weniger als 1 Tag“) genehmigt und in Übereinstimmung mit der Helsinki- bis 3 („meistens, die ganze Zeit ≈ 5 bis 7 Tage lang“).
Deklaration und den GCP-Richtlinien durchgeführt. Die Personen mit einem Skalenwert von ≥ 24 Punkten schriftliche Einwilligung wurde von allen Patienten vor • Der Gesundheitsstatus wurde anhand des SF-36 Fragebogens zum Gesundheitszustand (36) (Körper- Datenanalyse
liche und Psychische Summenskalen, acht Subskalen Die Datenanalyse (SPSS® 13.0.1, StatXact® 5.0.3) um- und SF-36-Skala Gesundheitsveränderung) doku- fasste alle Patienten, die die Aufnahmekriterien erfüll- ten. Die Klinischen Zielparameter wurden bei allen • Schließlich wurde die Krankheitssymptomatik auf Patienten mit auswertbaren Daten zu jedem Follow-up- numerischen Skalen (37), jeweils von 0 („nicht vor- Zeitpunkt analysiert; fehlende Werte wurden nicht er- handen“) bis 10 („schwerst möglich“), dokumentiert: setzt. Bei kontinuierlichen Daten wurden für gepaarte O r i g i n a l i a
Abb. 1: Patientenaufnahme und Follow-up
• ADS-L ≤ 23 Punkte: n = 38• Andere Depressionskriterien unerfüllt : n = 17• Arzt- u. Patientenbogen > 30 Tage • Keine Einwilligung: n = 1• Andere Gründe: n = 5 * Die 18-, 24-, und 48-Monats-Follow-up-Befragung wurde bei Patienten, die vor dem 1. Januar 1999 aufgenommen wurden, nicht durchgeführt.
Stichproben der Rangsummentest von Wilcoxon und Ergebnisse
für unabhängige Stichproben der U-Test von Wilcoxon, Teilnehmende Ärzte und Therapeuten
Mann und Whitney verwendet. Die Schätzung des Me- 59 Ärzte haben Patienten gescreent. 42 Ärzte nah- dians der Differenzen mit 95%-Konfidenzintervall er- men Patienten in die Studie auf; zwischen diesen folgte nach der Methode von Hodges und Lehmann (38).
Ärzten und allen für das AM-Modellprojekt qualifizier- Bei nominalen Daten wurden der McNemar-Test und der ten Ärzten in Deutschland (n = 362) gab es hinsichtlich exakte Test nach Fisher verwendet. Alle Tests wurden Geschlecht (57,1 % bzw. 62,2 % männlich), Alter (Mittel- zweiseitig durchgeführt. Signifikanzkriterien waren: wert ± Standardabweichung) (45,9 ± 7,0 bzw. 47,5 ± 7,9 p < 0,05 und, falls zutreffend, auch: das 95%-Konfidenz- Jahre), Dauer der Berufserfahrung seit der Approbation intervall umfasst nicht 0. Prä-Post-Effektstärken wurden (18,8 ± 7,3 bzw. 19,5 ± 8,7 Jahre) und hinsichtlich des als Standardised Response Mean berechnet und als Anteils hausärztlich tätiger Ärzte (90,5 % bzw. 85,0 %) gering (0,20–0,49), mittelgroß (0,50–0,79) und groß keine signifikanten Unterschiede. Die Patienten wurden von 52 HE/KT/RM-Therapeuten (KT: n = 24, HE: n = 23, A n t h r o p o s o p h i s c h e T h e r a p i e b e i c h r o n i s c h e r D e p r e s s i o n RM: n = 5) behandelt. Verglichen mit Therapeuten ohne keine Unterschiede. Die Follow-up-Dokumentation der Studienpatienten (n = 706; KT: n = 230, HE: n = 326, Ärzte war nach 6 Monaten für 86 % (83/97) der Patien- RM: n = 150) gab es hinsichtlich Geschlecht (82,7% bzw.
ten verfügbar und nach 12 Monaten für 85 %.
79,3% weiblich), Alter (durchschnittlich 48,4 ± 6,9 bzw.
Patientencharakteristika bei Studienaufnahme
51,3 ± 9,6 Jahre) und mediane Dauer seit Abschluss der Die mediane Dauer der depressiven Störung betrug KT-Schule (15,0 Jahre, Interquartilbereich (IQB) 10,0–18,0 5,0 Jahre (IQB 2,0–10,0 Jahre). 80 % (78/97) der Patienten bzw. 14,0 Jahre, IQB 11,0–19,0) bzw. der HE-Schule (10,0 hatten Begleiterkrankungen, im Median hatte jeder Jahre, IQB 7,0–14,0 bzw. 12,0 Jahre, IQB 8,0–20,0) keine Patient 2,0 (IQB 1,0–3,0) Begleiterkrankungen. Die häu- figsten Begleiterkrankungen, klassifiziert nach ICD-10 Patientenaufnahme und Follow-up
(International Classification of Diseases, Tenth Edition), Vom 1. Juli 1998 bis 31. März 2001 wurden 163 Patien- waren M00-M99 Krankheiten des Muskelskelett-Sys- ten gescreent (Abb. 1), die mit einer AM-Therapie wegen tems und des Bindegewebes (24,6 %, 46 von 187 Diagno- depressiver Symptomatik begannen. 97 Patienten erfüll- sen), E00-E99 Endokrine, Ernährungs- und Stoffwech- ten alle Einschlusskriterien und wurden in die Studie selkrankheiten (14,4 %) und F00-F99 Psychische und aufgenommen. Die letzte Patienten-Follow-up-Befra- Verhaltensstörungen (9,6 %). 18 % (17/97) der Patienten gung erfolgte am 30. März 2005. Zwischen eingeschlos- hatten eine psychische Begleit- oder Vorerkrankung, senen (n = 97) und nicht eingeschlossenen Patienten 24 % (23/97) waren schon einmal stationär psychiatrisch (n = 66) gab es hinsichtlich Alter, Geschlecht, Dauer der Depressiven Störung und Krankheits- und Symptom- Die Patienten wurden aus 13 der 16 Bundesländer score bei Aufnahme keine signifikanten Unterschiede.
aufgenommen. Das durchschnittliche Alter lag bei Der häufigste Grund für Nichteinschluss war das 42,9 ± 9,9 Jahren (Range 20–69 Jahre).
Nicht-Erfüllen des Depressions-Schweregrad-Kriteriums Im Verhältnis zur Bevölkerung in Deutschland hatten die Patienten ein höheres schulisches und berufliches ≤ 23 Punkte, n = 38/66); der ADS-L Wert der ein- geschlossenen Patienten lag im Median bei 34,0 (IQB Ausbildungsniveau, es gab weniger regelmäßige Rau- 28,0–38,0) Punkten, bei den nicht Eingeschlossenen cher, weniger Patienten die täglich Alkohol konsumier- lag der Wert bei 18,0 (IQB 14,3–23,8) Punkten (Differenz ten und weniger Übergewichtige. Vergleichbar mit der der Mediane 15,0 Punkte, 95%-Konfidenzintervall Gesamtbevölkerung Deutschlands war der Anteil Nied-12,0–18,0 Punkte, p < 0,01).
rigverdiener, Alleinlebender, so wie derer, die regelmäßig Die Anzahl der Depressionspatienten, die während Sport trieben; höher war dagegen der Anteil Berufs- und der Rekrutierungsphase für das Screening in Frage ka- Erwerbsunfähiger,der Anteil Schwerbehinderter und die men (d. h. Patienten mit Überweisung zu KT/HE/RM oder Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage im vergangenen Beginn von MED wegen depressiver Symptomatik) ist nicht bekannt, aber die Gesamtzahl der Patienten, die Therapien
während des AMOS-Projekts zu KT/HE/RM überwiesen Bei Studienaufnahme begannen die Patienten mit wurden – unabhängig von der Diagnose – wurde von einer MED-Therapie oder wurden zu einer AM-Therapie den Ärzten geschätzt (beantwortet von 62,2 %, 74 von überwiesen (n = 84; davon KT: n = 42; HE, n = 36; RM: 119 Ärzten). Das Verhältnis von überwiesenen Patienten n = 6). Die KT-Patienten wurden von KT-Therapeuten der zu den in die Studie aufgenommenen Patienten war im Fachbereiche Malerei/Zeichnen + Plastik (n = 28),Sprach- Median 3,9 (IQB 0,5–10,0). Zwischen diesem Verhältnis gestaltung (n = 12) und Musik (n = 2) behandelt. Die und der 0–12-Monats-Verbesserung des Symptom- KT/HE/RM fand nachweisbar bei 98 % (82/84) der scores gab es keine Korrelation (Spearman-Rho = –0,04, Patienten statt und begann im Median 8 (IQB 0–28) Tage nach Studienaufnahme. Die mediane Therapie- 92 % (89/97) der Patienten wurden von insgesamt 38 dauer betrug 137 (IQB 91–212) Tage, die mediane Anzahl hausärztlich tätigen Ärzten (35 Allgemeinmedizinern der Therapiestunden lag bei 14 Stunden (IQB 12–22 Stun- oder praktischen Ärzten und drei Internisten) aufge- den, durchschnittlich 16,8 ± 9,5 Stunden). Während des nommen, 8 % (8/97) wurden von vier Ärzten aufgenom- ersten Studienjahres hatten die Patienten im Median men, die als Fachärzte niedergelassen waren oder die 1,0 (IQB 0,0–4,0, Range 0–30) AM-bezogene Konsulta- in einer Klinikambulanz tätig waren (zwei Internisten, tionen bei ihren Studienärzten; 77 % (66 der 85 auswert- zwei Ärzte mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie).
baren Patienten) wendeten AM-Arzneimittel an, im 98 % (95/97) der Patienten beantworteten mindes- Median 0,43 (IQB 0,02–1,43) AM-Arzneimittel am Tag tens einen Follow-up-Fragebogen, 2 % (2/97) hatten kei- ne Follow-up-Daten. Der 12-Monats-Fragebogen wurde In den ersten sechs Studienmonaten nahmen 29 % von 85 % der Patienten beantwortet; zwischen diesen (n = 24/84) der auswertbaren Patienten an mindestens Patienten und den nicht antwortenden Patienten (15 %) sechs Tagen Antidepressiva (ATC-Index N06A oder gab es hinsichtlich Alter, Geschlecht, Dauer der depres- Johanniskraut-Trockenextraktpräparate) ein, 24 % (n = siven Störung und ADS-L-Wert bei Aufnahme keine sig- 20/84) hatten mindestens zehn Psychotherapiesitzun- nifikanten Unterschiede. Entsprechende Dropout-Analy- gen, wohingegen 55 % (n = 46/84) weder eine Psycho- sen für die 24-Monats-Befragung zeigten ebenfalls therapie hatten noch Antidepressiva einnahmen.
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Tab. 1: Demografische Daten der Patienten vs. Hausarztpatienten bzw. Bevölkerung in Deutschland
Studienatienten
Hausarztpatienten
Deutschland

Studienpatienten aufgenommen
Bevölkerung
ab 1. Januar 1999
Deutschlands
Monatliches Netto-Haushaltseinkommen < 900 € Alkoholeinnahme täglich (Studienpatienten) Körpermasseindex < 18,5 (untergewichtig) Körpermasseindex ≥ 25 (übergewichtig) Arbeitsunfähigkeitstage während der letzten Klinische Ergebnisse
Patienten) wurden nicht mehr als depressiv klassifiziert Die ADS-L, der Symptomscore, der Krankheitsscore (ADS-L < 24 Punkte) (Tab. 3). Die Verbesserungen der ADS- und alle elf SF-36-Skalen verbesserten sich zwischen L waren ähnlich bei Patienten, die HE bzw. KT erhielten, Studienaufnahme und allen darauf folgenden Follow- wie auch bei Patienten der KT-Untergruppe Malerei/ up-Zeitpunkten signifikant. Bei allen 14 Zielparametern fand die stärkste Verbesserung in den ersten sechs Um den Einfluss von vier Biasfaktoren auf den 0–12- Monaten statt; die Verbesserungen blieben bis zum letz- Monatsverlauf der ADS-L einzuschätzen, wurden Post- ten Follow-up erhalten (Abb. 2 bis Abb. 4). Die Effekt- hoc-Sensitivitätsanalysen durchgeführt. Die erste Sensi- stärken für den 0–12-Monats-Vergleich waren bei elf tivitätsanalyse (Tab. 4, SA 1) betraf den Dropout-Bias. Die Zielparametern groß (Range 0,80–1,77) und bei drei Hauptanalyse umfasste alle aufgenommenen Patienten Zielparametern mittelgroß (0,54–0,76) (Tab. 2). mit auswertbaren ADS-L-Daten bei Studienaufnahme Die ADS-L verbesserte sich sukzessive bei jedem Fol- und nach 12 Monaten. In der ersten Sensitivitätsanalyse low-up, ausgenommen zwischen 12 und 18 Monaten wurden fehlende 12-Monats-Werte durch den jeweili- nach Studienaufnahme (Abb. 2). Beim 12-Monats-Follow- gen Wert vom vorherigen Befragungszeitpunkt ersetzt up und später war die ADS-L bei 52–56 % der auswert- (engl. last value carried forward); dies verringerte die baren Patienten (35 %–42 % aller Patienten) um mindes- durchschnittliche 0-12-Monats-Verbesserung der ADS-L tens 50 % des Wertes bei Studienaufnahme verbessert.
um 9 % (15,23 Y 13,90 Punkte). Die zweite Analyse 66 %–77 % der auswertbaren Patienten (47 %–52 % aller (Tab. 4, SA 2) betraf Spontanverbesserung. Da eine Spon- A n t h r o p o s o p h i s c h e T h e r a p i e b e i c h r o n i s c h e r D e p r e s s i o n Tab. 2: Klinische Ergebnisse 0–12 Monate
12 Monate
Median der Differenzen
(95%-Konfidenzintervall)*
bessert**
Mittelwert
Mittelwert
(Standard-
(Standard-
abweichung)
abweichung)
Positive Differenzen bedeuten Verbesserung.
SRM: Standardised Response Mean Effektstärke ** Prozentanteil der Patienten mit einer Verbesserung (gering: 0,20–0,49, mittelgroß: 0,50–0,79, groß: ≥ 0,80) *** SF-36-Skala Gesundheitsveränderung: Skala von 1 („derzeit viel besser als im vergangenen Jahr“) bis 5 („derzeit viel schlechter als im vergangenen Jahr“).
Tab. 3: Allgemeine Depressionsskala-Langform (ADS-L):
Responderquoten bei Follow-up. Patienten aufgenommen nach dem 1. Januar 1999.
Follow-up
ADS-L verbessert vom
ADS-L verbessert vom
ADS-L ≤ 23
Ausgangswert
Ausgangswert um ≥ 50 %
(nicht depressiv)
Anteil der
Anteil der
Anteil der
auswertbaren
auswertbaren
auswertbaren
Patienten
Patienten
Patienten
Patienten
Patienten
Patienten
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tanbesserung unwahrscheinlich ist bei einer Depression Abb. 2: Allgemeine Depressionsskala-Langform (Mittelwert + Standardabweichung).
mit einer Dauer von mehr als 1–2 Jahren (40–45), wurde Höhere Skalenwerte bedeuten häufigere depressive Symptome. Trennwert: Patienten mit einem Skalenwert von ≥ 24 Punkten werden als depressiv klassifiziert.
die Analysepopulation auf Patienten mit einer Dauer derdepressiven Störung von mindestens zwei Jahren be- schränkt; dies verringerte die Verbesserung um 8 %(15,23 Y 14,05 Punkte). Die dritte Analyse (Tab. 4, SA 3) betraf den Effekt durch relevante Begleittherapien:Hier- für wurde die Analysepopulation auf Patienten be- schränkt,die in den ersten sechs Studienmonaten weder Psychotherapie erhielten noch Antidepressiva einnah-men (siehe oben: „Therapien“). Bei diesen Patienten zeigte die ADS-L eine ähnliche Verbesserung wie bei der Gesamtheit aller Studienpatienten (15,29 bzw. 15,22Punkte). Die vierte Analyse (Tab. 4, SA 4) betraf „Regres- sion zur Mitte“ (engl. regression to the mean) infolge einer Gruppenselektion durch das Kriterium ADS-L ≥ 24 Abb. 3: SF-36 Körperliche und Psychische Summenskala (Mittelwert + Standard-
Punkte: Die Analysepopulation wurde erweitert auf ge- abweichung). Höhere Skalenwerte bedeuten besseren Gesundheitszustand. Patienten und Bevölkerungsstichprobe Deutschland (17–74 Jahre) (36).
screente Patienten, die mit einer AM-Therapie wegendepressiver Symptomatik begannen, die aber nicht alle Depressionskriterien für den Studieneinschluss erfüll- ten. Diese probatorische Erweiterung der Einschluss- kriterien führte zu einer Verringerung der durchschnitt- liche 0–12-Monats-Verbesserung der ADS-L um 27 % (Analyse der Patienten, die nach dem 1. Januar 2000 aufgenommen wurden: 13,38 Y 19,82 Punkte). Schließ- lich wurden SA 1 + SA 2 + SA 4 kombiniert, wodurch dieVerbesserung um insgesamt 35 % (13,38 Y 8,64) redu- ziert wurde; die Verbesserung blieb jedoch signifikant.
Andere Ergebnisse
Beim 6-Monats-Follow-up lag die durchschnittliche Patienteneinschätzung des Therapieerfolges (numeri- sche Skala:0 = „gar nicht geholfen“, 10 = „sehr gut gehol- fen“) bei 7,54 ± 1,76 Punkten, die Patientenzufriedenheit mit der Therapie (numerische Skala: 0 = „sehr unzufrie- den“, 10 = „sehr zufrieden“) lag bei 7,92 ± 1,86 Punkten.
Die Wirksamkeitseinschätzung der KT/HE/RM durch die Patienten war in 88 % (66/75) der Fälle positiv („sehrwirksam“ oder „wirksam“) und in 12 % der Fälle negativ („weniger wirksam“, „unwirksam“ oder „nicht beurteil- bar“). Die Wirksamkeitseinschätzung der Ärzte war in 78 % (56/72) der Fälle positiv und in 22 % der Fälle negativ. Hinsichtlich der Einschätzungen des Therapie-erfolges, der Therapiezufriedenheit und der Wirksam-keit gab es zwischen dem 6-Monats- und dem 12- Abb. 4: Krankheitsscore, Symptomscore (Mittelwert + Standardabweichung).
Skalenwerte von 0 „nicht vorhanden“ bis 10 „schwerst möglich“
Monats-Follow-up keine signifikanten Unterschiede.
Während der ersten 24 Studienmonate wurde bei einem Patienten von einer Nebenwirkung durch KT/HE/RM berichtet (wiederholter Stimmverlust nachKT-Musik mit Gesangsübungen, mittlere Intensität).
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen durch AM-Arz- neimittel wurden bei zwei Patienten berichtet (mittel- starker Schwindel durch Geum urbanum – medizinisch nicht bestätigt; leichte Übelkeit durch Chelidonium –medizinisch bestätigt); keine dieser Nebenwirkungen führte zu einem Abbruch der Therapie. UnerwünschteArzneimittelwirkungen durch Nicht-AM-Arzneimittel wurden bei 12 Patienten berichtet (Antidepressiva: n = 5,andere Psychopharmaka: n = 2, andere Arzneimittel: A n t h r o p o s o p h i s c h e T h e r a p i e b e i c h r o n i s c h e r D e p r e s s i o n Tab. 4: Allgemeine Depressionsskala-Langform: Sensitivitätsanalyse (SA) der 0–12-Monats-Ergebnisse.
12 Monate
Differenz 0–12 Monate
Mittelwert
Mittelwert
Mittelwert
Median der Differenzen
(Standard-
(Standard-
(Standard-
(95%-Konfidenzintervall)
abweichung)
abweichung) abweichung)
Alle in die Depressionsstudie
aufgenommene Patienten

SA 1: Ersetzen fehlender Werte durch den Wert AMOS-Patienten, für Depressionsstudie gescreent
nach 1. Januar 2000*

(nicht aufgenommen + aufgenommen) mitauswertbaren Daten nach 0 und 12 Monaten AMOS: Anthroposophische Medizin Outcomes-Studie.
* Die 12-Monats-Follow-up-Dokumentation der ADS-L wurde nicht durchgeführt bei AMOS-Patienten,die vor dem 1. Januar 2000 aufgenommen wurden, außer bei Patienten, die zusätzlich in die Depressionsstudie eingeschlossen wurden.
n = 5); die Arzneimittelanwendung wurde in drei Fällen blieben während des vierjährigen Follow-up erhalten.
abgebrochen. Ein Patient hatte eine Nebenwirkung Nebenwirkungen durch AM-Therapien waren selten (2 % durch Psychotherapie (Schmerzen), weswegen diese der Patienten) und von leichter bis mittelstarker Inten- sität; sie erforderten keine Therapieunterbrechung.
Ein Schwerwiegendes Unerwünschtes Ereignis (SUE) Stärken und Limitierungen
kam vor: Eine 53-jährige Frau wurde akut stationär Zu den Stärken dieser Studie gehören eine lange behandelt wegen Dünndarmperforation nach Verschlu- Beobachtungszeit, hohe Rücklaufquoten und die Teil- cken von Fischgräten. Die Patientin ist vollkommen nahme von 8 % aller für AM qualifizierten Ärzte und genesen. Dieses SUE stand in keinem Zusammenhang Therapeuten in Deutschland. Die Teilnehmer waren ähn- zu einer Arzneimittelanwendung oder einer Therapie.
lich allen teilnahmeberechtigten Ärzten bzw.Therapeu- Diskussion
ten in Hinblick auf soziodemografische Charakteristika, Diese prospektive Kohortenstudie ist die erste Studie ebenso waren die in die Studie eingeschlossenen Patien- zu multimodaler AM-Therapie bei Depression, und die ten ähnlich den nicht eingeschlossenen, gescreenten erste Depressionsstudie, die in AM-Arztpraxen durch- Patienten in Bezug auf Patientencharakteristika bei geführt wurde. Die Studie wurde im Rahmen eines Studienaufnahme. Demzufolge kann angenommen Krankenkassen-Modellprojekts durchgeführt und hatte werden, dass die Studie die gegenwärtige Patienten- zum Ziel, Kenntnisse über die Anwendung von AM in versorgung mit AM weitgehend wirklichkeitsgerecht Deutschland unter Alltagsbedingungen zu gewinnen.
abbildet. Allerdings konnten, wegen der langen Rekru- Es wurden ambulant behandelte erwachsene Patienten tierungsphase,nicht alle in Frage kommenden Patienten untersucht, die mit einer AM-Therapie wegen Depres- (d. h. Patienten, die wegen depressiver Symptomatik sion (depressive Verstimmung + mindestens zwei von eine AM-Therapie begannen) von den teilnehmenden sechs weiteren depressiven Symptomen + ADS-L ≥ 24 Ärzten gescreent werden. Für das gesamte AMOS-Pro- Punkte) begannen. Unter AM-Therapie wurden erhebli- jekt wurde geschätzt, dass die Ärzte jeden vierten che Verbesserungen der Symptomatik und des Gesund- Patienten, der zu einer KT/HE/RM überwiesen wurde, heitszustandes (SF-36) beobachtet. Die Verbesserungen aufnahmen. Ein Selektionsbias könnte vorhanden sein, O r i g i n a l i a
falls die Ärzte vorzugsweise solche Patienten gescreent depressiver Symptomatik eingeschlossen. Die Patienten und aufgenommen hätten, für die ein besonders posi- wurden im Rahmen der ärztlichen Routineversorgung tives Ergebnis erwartet wurde. In diesem Fall würde man rekrutiert, weshalb strukturierte psychiatrische Inter- erwarten, dass der Selektionsgrad (= das Verhältnis views, um alle Kriterien für Depressive Störung nach von überwiesenen zu aufgenommenen Patienten) mit ICD-10 oder DSM-IV (Diagnostisches und statistisches dem klinischen Ergebnis positiv korreliert. Dies war Manual psychischer Störungen, 4. Auflage) zu erfassen, jedoch nicht der Fall, die Korrelation lag annähernd nicht durchführbar waren. Dies begrenzt die diagnosti- bei Null (–0,04). Diese Analyse der KT/HE/RM-Patienten sche Vergleichbarkeit mit anderen Studien. Dennoch er- (87 % der vorliegenden Kohorte) lässt nicht erwarten, füllten alle Patienten die DSM-IV-Kriterien für Dysthyme dass das ärztliche Screening der Patienten bei Beginn Störungen bezüglich der Kernsymptomatik, und 82 % einer AM-Therapie durch Selektionsbias beeinflusst der Patienten erfüllten zusätzlich das Kriterium der Mindestdauer der Symptomatik von zwei Jahren.
Eine wichtige Limitierung der Studie ist das Fehlen Da AM unter Alltagsbedingungen evaluiert werden einer Vergleichsgruppe, die eine andere oder keine Be- sollte, wurde die Therapie nach Ermessen des Arztes und handlung erhielt. Aus diesem Grund haben wir versucht, des Therapeuten durchgeführt und nicht nach einem so weit wie möglich den Einfluss anderer Ursachen als standardisierten Therapieprotokoll. Darüber hinaus war den der AM-Therapie zu analysieren. Es wurden Sensiti- jede der vier Therapien (KT, HE, RM und MED) zugelassen vitätsanalysen in Hinblick auf Dropoutbias, Spontanver- und die Hauptanalyse umfasste alle AM-Therapien.
besserung und einer durch extreme Gruppenselektion Untergruppenanalysen zeigen jedoch, dass die Verbes- (ADS-L ≥ 24 bei Studienaufnahme) bedingten Regres- serungen ähnlich waren bei Patienten die HE oder KT sion zur Mitte durchgeführt. Gemäß der Analyse können erhielten, wie auch in der KT-Untergruppe Malerei/ diese drei Faktoren zusammen maximal 35 % der durch- Zeichnen/Plastik: Die Fallzahlen waren allerdings zu schnittlichen 0–12-Monats-Verbesserung erklären. Eine gering, um die Therapiegruppen RM oder MED oder Regression zur Mitte, die sich speziell durch Symptom- andere KT-Untergruppen zu analysieren.
schwankungen mit Selbstselektion zur Therapie und zur Studienaufnahme bei starker Symptomatik ergeben Bedeutung der Studie
könnte, wird jedoch durch diese Analysen nicht völlig Mit dieser Studie liegen zum ersten Mal Daten über ausgeschlossen. Eine andere Form der Selbstselektion die ambulante AM-Therapie bei Depression vor. Zu be- ist ebenfalls möglich: Eine Voraussetzung für den Studi- merken ist, dass das Geschlechterverhältnis in unserer eneinschluss war, dass der Patient bereit ist, AM-Thera- Studie (w/m: 5,5/1,0) sehr viel größer war als in anderen pie zu versuchen. Möglicherweise könnte diese Bereit- deutschen ambulanten Depressionskohorten (1,3–2,6/ schaft selbst schon mit einer besseren Prognose verbun- 1,0) (46–50). Ein höherer Anteil Frauen und Patienten den sein, was einen Teil der Verbesserung erklären könn- mit höherem Ausbildungsniveau, wie in dieser Studie, te. Angesichts dieser Voraussetzungen zur Therapie- wurde auch in anderen Studien zu AM-Anwendern be- bereitschaft gelten im Übrigen die Studienergebnisse obachtet (11, 51, 52). Der Schweregrad der Depression zu nur für solche Patienten, die bereit sind, AM-Therapie Studienbeginn lag in unserer Studie (ADS-L durch- schnittlich 35 Punkte) zwischen dem Schweregrad unbe- Begleittherapien mit Antidepressiva oder Psycho- handelter Patienten mit Dysthymer Störung (34 Punkte) therapie können die Ergebnisse unserer Studie nicht und Major Depression (39 Punkte) (35). Der Skalenwert erklären, da Patienten, die diese Therapien nicht anwen- für die SF-36 Psychische Summenskala (durchschnittlich deten, eine ähnliche Symptomverbesserung erfuhren.
26,2 ± 8,0) war geringfügig niedriger, d. h. schlechter, als Andere mögliche Einflussfaktoren sind Beobachtungs– in anderen ambulanten Depressionskohorten (mediane bias und psychologische Faktoren. Da jedoch alle AM- Differenz 0,34 Standardabweichungen,Range 0,30–0,72) Therapien (einschließlich der Arzt- und Therapeut- (53–56). Insgesamt weisen unsere Ergebnisse darauf Patient-Beziehung) als Therapiepaket evaluiert wurden, hin, dass ambulante Patienten, die AM-Therapie wegen stellt sich die Frage der Unterscheidung von spezifischen Depression erhalten, häufiger Frauen sind, aber in Hin- Therapieeffekten und unspezifischen Effekten (Placebo- blick auf Schweregrad der Symptomatik und auf Funk- effekten, Kontexteffekten, Patientenerwartungen usw.) tionsbeeinträchtigung anderen ambulanten Patienten mit Depression ähnlich sind. Der höhere Anteil an Da die Patienten von AM-Ärzten behandelt wurden, Frauen könnte damit zusammenhängen, dass Frauen die möglicherweise ein Interesse daran haben könnten, eher als Männer bereit sind, sich auf künstlerische The- dass die AM-Therapie ein gutes Ergebnis erzielt, wurden die Studiendaten größtenteils durch Patienten und nicht In den ersten sechs Monaten nach Studienbeginn be- durch Ärzte erhoben. Eine eventuelle Bias-Beeinflussung kamen 55 % der Patienten keine Standardtherapie für der Arztdokumentation würde die ADS-L, den Symp- Depression (Psychotherapie, Antidepressiva). Allgemein tomscore oder den SF-36 nicht betreffen, da diese Ziel- gilt, dass einige Patienten von der Standardtherapie kei- parameter von den Patienten dokumentiert wurden.
nen Nutzen haben und dass andere Patienten die Stan- In diese Studie waren ambulant behandelte Patien- dardtherapien wegen Nebenwirkungen abbrechen oder ten im Alter von 17-70 Jahren mit mittlerer bis schwerer sie ablehnen, weil sie passiv sind (Antidepressiva) oder A n t h r o p o s o p h i s c h e T h e r a p i e b e i c h r o n i s c h e r D e p r e s s i o n weil sie als aufdringlich oder zu verbal empfunden wer- den (Psychotherapie). In diesem Zusammenhang bieten Die Studie wurde durch die Software-AG Stiftung und die non-verbalen (KT, HE, RM) und künstlerisch-übenden die Innungskrankenkasse Hamburg finanziert, mit zu- (KT, HE) AM-Therapien einen anderen Therapieansatz sätzlicher Förderung durch die Deutsche BKK, die Mahle oder sogar eine Brücke, um die verbale therapeutische Stiftung und die Dr. Hauschka Stiftung. Die Sponsoren hatten weder Einfluss auf Design, Planung, Datenerhe- Etwa ein Drittel der aufgenommenen Patienten er- bung, Datenanalyse, Interpretation der Ergebnisse noch fuhr eine mindestens 50%ige Verbesserung des ADS-L- auf die Erstellung des Manuskripts oder auf die Ent- Ausgangswertes, wobei diese Verbesserung über die scheidung,das Manuskript zur Publikation einzureichen.
vierjährige Nachbeobachtungszeit erhalten blieb. Diese Wir danken G. S. Kienle und W. Tröger für wertvolle Rate liegt in derselben Größenordnung wie die bei Lang- Hilfe und Diskussionen und Petra Siemers für techni- zeitstudien zu Psychotherapie bei Depression (7).
sche Unterstützung. Unser besonderer Dank gilt auch Die Ergebnisse dieser ersten Studie zu ambulanter den teilnehmenden Ärzten,Therapeuten und Patienten.
AM-Therapie bei Depression sind ermutigend und legenweitergehende Untersuchungen nahe.
KorrespondenzadresseDr. med. Harald J. Hamre Schlussfolgerung
IFAEMM e. V., Abteilung für klinische Forschung Ein großer Teil der ambulant behandelten Patienten, die mit einer AM-Therapie wegen Depression begannen, führte die Behandlung weiter, und bei einem ermuti- gend großen Teil zeigten sich klinisch relevante Verbes- serungen. Obwohl das Prä-post-Design der vorliegen- den Studie keine Schlussfolgerung hinsichtlich verglei-chender Wirksamkeit (engl. comparative effectiveness)zulässt, legen die Studienergebnisse nahe, dass AM-The-rapien hilfreich sein können für Patienten, die zur Durch-führung dieser Therapien motiviert sind.
Liste der Abkürzungen
Literatur
8 Zimmerman M, Mattia JI,
1 Paykel ES, Brugha T, Fryers T.
ADS-L: Allgemeine Depressionsskala-Langform 2 Wittchen HU, Höfler M,
AMOS: Anthroposophische Medizin Outcomes-Studie 9 Steiner R, Wegman I. Grund-
ICD-10: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme – 10. Revision (engl. International Classification of 3 Ustun TB, Ayuso-Mateos JL,
10 1924–2004 Sektion für An-
MED: vom Studienarzt verordnete AM-Therapie 4 Harris EC, Barraclough B.
11 Ritchie J, Wilkinson J, Gantley
Br J Psychiatry 1997; 170: 205–228.
Interessenkonflikte
5 Carney RM, Freedland KE.
Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte Beiträge der Autoren
6 Williams JW Jr., Mulrow CD,
H. J. Hamre, C. M. Witt, S. N. Willich und H. Kiene ha- ben am Studiendesign mitgewirkt. H. J. Hamre, A. Glock- mann und H. Kiene waren an der Datenerhebung betei- 12 Denjean-von Stryk B. Asthma
ligt. H. J. Hamre, R. Ziegler und H. Kiene haben den Aus- wertungsplan geschrieben. H. J. Hamre und A. Glock- 7 Westen D, Morrison K. A mul-
mann haben die Daten analysiert. H. J. Hamre war Hauptautor, hatte vollständigen Zugang zu allen Daten und ist Garant für die Publikation. Alle Autoren waren an 2000; S. 78–80.
13
der Entstehung und Revision des Manuskripts beteiligt und haben das endgültige Manuskript genehmigt.
O r i g i n a l i a
23 Petersen P. Der Therapeut
57 Statistisches Bundesamt.
14 Treichler R. Die Heileuryth-
34 Hamre HJ, Becker-Witt C,
46 Maier W, Linden M, Sartori-
58 Hoffmeister H, Schelp FP,
24 Treichler M. Mensch – Kunst
15 Braunstein U. Die Wirkung
47 Zentralinstitut für die
35 Hautzinger M, Bailer M.
59 Junge B, Nagel M. Das
25 Bettermann H, von Bonin D,
36 Bullinger M, Kirchberger I.
48 Wittchen HU, Krause P,
60Breckenkamp J, Laaser U,
37 Downie WW, Leatham PA,
26 Cysarz D, von Bonin D,
16 Gödl R, Glied N, Muhry F,
49 Wittchen HU, Holsboer F,
61 Körpermaße der Bevölke-
38 Hodges JL, Lehmann EL.
27 Majorek M, Tüchelmann T,
39 Liang MH, Fossel AH, Larson
62 Verband Deutscher Renten-
50 Wittchen HU, Höfler M,
40 Keller MB, Lavori PW, Muel-
17 Treichler M. Wenn die Seele
63 Bergmann E, Ellert U. Seh-
51 Pampallona S, von Rohr E,
28 Kirchner-Bockholt M.
18 Rissmann W. Therapie de-
64 Arbeitsunfähigkeits-, Kran-
29 Berufsverband für Rhyth-
41 Coryell W, Akiskal HS, Leon
52 Melchart D, Mitscherlich F,
19 Institut für anthroposophi-
30 Bopp A, Schürholz J. Anthro-
53 Berardi D, Berti CG, Leggieri
31 Anthroposophic Pharma-
42 Solomon GD. Evolution of
20 Treichler M. Sprechstunde
54 Kroenke K, West SL, Swindle
32 Schaper LC. Effekte einer
43 Kendler KS, Walters EE, Kess-
21 National Institute for Clini-
55 Simon GE, Revicki DA, Grot-
44 Furukawa TA, Kitamura T,
22 Pütz H. Leitlinie zur Behand-
56 Smith JL, Rost KM, Nutting
45 Spijker J, de Graaf R, Bijl RV,
33 Hamre HJ, Becker-Witt C,

Source: http://www.ifaemm.de/Abstract/PDFs/HH07_2.pdf

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Mid Back Complaints Today’s Date: _____/_____/_____ Name:_________________________________________________ Circle the areas on your body where you feel the described sensations, and mark with the appropriate letter(s). For Office Use Only: __________________________________________________ __________________________________________________ __________________________________________

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Zorg na beroerte blijft hier achter bij buitenland 4 juli 2009 | Het Financieele Dagblad Door: Elgersma, K. Het artikel van Elsbeth Reitsma en Albert Hagedoorn over de sterk versnipperde zorg bij de aanpak van beroerten (CVA's) is me recht uit het hart gegrepen (FD 22 juni). Op basis van de ervaring van meer dan acht jaar na de zware CVA van onze zoon Pieter (27) durf ik nog een stap verder

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