Dr. Gregor Kuntze-Kaufhold, Rechtsanwalt,Düsseldorf*
Publizitätspflicht: Gesetzentwurfzur EHUG-Modernisierung fällthinter BT-Entschließung zurück
In seiner Entschließung vom 29.11.2012 hatte der Deutsche
Darüber hinaus ist die Vorschrift sprachlich missglückt. Im
Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, bis März 2013
Entwurf heißt es, das Ordnungsgeld sei bei verspäteter, aber
Vorschläge zur Reform der Offenlegungsvorschriften vorzule-
noch vor der Festsetzung erfolgender Offenlegung „herabzu-
gen (BT-Drucks. 17/11702). Es ging um Maßnahmen in vier
setzen“ (Art. 1 Ziff. 2 RegE). Herabgesetzt werden kann streng-
Bereichen: Staffelung der Höhe von Ordnungsgeldern, Fest-
genommen nur ein bereits festgesetztes Ordnungsgeld. Das
legung von Kriterien für das Verschulden, Milderung von Här-
Fehlverständnis schreibt die in der Rechtsanwendung zu be-
ten durch eine Regelung zur Wiedereinsetzung in den vori-
obachtende Fehlinterpretation des § 335 Abs. 3 S. 5 HGB fort.
gen Stand und die Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-
Dort heißt es: „Wenn die Sechswochenfrist nur geringfügig
chung. Am 17.4.2013 hat die Bundesregierung den Entwurfüberschritten wird, kann das Bundesamt das Ordnungsgeldeines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuchs ver-
herabsetzen.“ Die Vorschrift gelangte auf Intervention des
öffentlicht, mit dem laut begleitender Pressemitteilung das
Rechtsausschusses ins HGB (BT-Drucks. 16/2781), der die
Ordnungsgeldverfahren „behutsam . modernisier(t)“ und der
ursprüngliche Konzeption eines Ordnungsgeldes als Buß-
Mittelstand entlastet werden sollen. Nachfolgend wird der
geld (vgl. BT-Drucks. 16/960) ablehnte und stattdessen auf
Entwurf (RegE), der zwischenzeitlich dem Bundesrat zur Stel-
die Bestimmungen über das Zwangsverfahren im damali-
lungnahme zugeleitet wurde (BR-Drucks. 323/13), einer kriti-
gen § 140a FGG zurückgriff (BT-Drucks. 16/2781, S. 82 f.). Nicht
ausdrücklich mit übernommen, aber mitgedacht war der vo-rangehende Satz in § 140a Abs. 2 FGG, wonach die Behörde
Mindestordnungsgeld im Regelfall bei 2.500 Euro „das Ordnungsgeld unverzüglich festzusetzen“ hatte. Legt
Das Bundesamt für Justiz soll zukünftig ein niedrigeres als
ein betroffenes Unternehmen kurz nach der Festsetzung of-
das angedrohte Ordnungsgeld festsetzen, wenn die Offenle-
fen, sollte das Bundesamt von sich aus das Ordnungsgeld
gung nicht mehr innerhalb der Nachfrist, jedoch noch vor der
herabsetzen können, ohne ggf. eine Beschwerde des Betrof-
Festsetzung erfolgt. Bei Kleinstkapitalgesellschaften, die für
fenen abwarten zu müssen. Bundesamt und LG Bonn haben
die Hinterlegung nach dem MicroBilG optiert haben, soll das
aus dieser Abhilfemöglichkeit ein aliud abgeleitet, nämlich
Ordnungsgeld auf 500 Euro abgesenkt werden, bei kleinen
die Befugnis, nachträglich Ordnungsgelder festzusetzen.
auf 1.000 Euro und bei allen anderen auf 2.500 Euro (Art. 1
Weiter haben sie der Vorschrift eine Sperrwirkung entnom-
Ziff. 2 RegE; neuer § 335 Abs. 4 HGB).
men, um eine niedrigere Festsetzung in sonstigen Fällenauszuschließen. Die Verfasser des jetzigen Gesetzentwurfs
Die Neufassung verschlechtert die Lage betroffener Unter-
wollen diese den Wortlaut sprengende Auslegung nachträg-
nehmen de lege lata. Der Bundestag hatte in seiner Ent-
lich legalisieren, indem sie die Festsetzung eines geringeren
schließung gefordert, ein Mindestordnungsgeld von generell
als des angedrohten Ordnungsgeldes tatbestandlich mit der
nicht mehr als 500 Euro bei Kleinstunternehmen und
Herabsetzung eines Ordnungsgeldes verknüpfen. Gegen-
1.000 Euro bei kleinen Kapitalgesellschaften vorzusehen. Im
wärtig sind beide Fälle sachgerecht in unterschiedlichen Ver-
RegE wird stattdessen an der Androhung eines Ordnungs-
fahrensvorschriften geregelt. In § 390 Abs. 4 S. 2 FamFG, durch
geldes von mindestens 2.500 Euro festgehalten. Das Ord-
§ 335 Abs. 2 HGB für anwendbar erklärt, ist bestimmt, dass
nungsgeld soll auch regelmäßig in angedrohter Höhe festge-setzt werden. Nur wenn die Offenlegung noch vor der Fest-
das Bundesamt im Fall eines Einspruchs, „wenn die Umstän-
setzung erfolgt, wird die Mitwirkung des Betroffenen „belohnt“,
de es rechtfertigen, von der Festsetzung eines Zwangsgel-
indem anstelle des angedrohten der niedrigere Betrag fest-
des absehen oder ein geringeres als das angedrohte
gesetzt wird. Als Erleichterung kann dies bloß begreifen, wer
Zwangsgeld festsetzen“ kann. Ist ein Einspruch gegen ein
die Rechtsprechung des LG Bonn für zutreffend hält, wonach
weiteres Ordnungsgeld begründet, kann das Bundesamt
das Ordnungsgeld auch noch nachträglich aus rein repressi-
dagegen, „wenn es die Umstände rechtfertigen, zugleich
ven Gründen verhängt werden darf. Dies ist allerdings ein
ein früher festgesetztes Zwangsgeld aufheben oder an des-sen Stelle ein geringeres Zwangsgeld festsetzen“ (§ 390
Abs. 6 FamFG i.V.m. § 335 Abs. 2 HGB). Weder das Bundes-amt für Justiz noch das LG Bonn ziehen diese Vorschriften inder Praxis heran. Diese Rechtsverweigerung ist schlimm ge-
* Justiziar des markt intern-Verlags.
nug. Die Bundesregierung plant nun, die Lage der betroffe-
nen Unternehmen weiter zu verschlechtern, indem sie die
scheids beginnt. Dies ändert sich durch die geplante lex spe-
maßgeblichen Ermessenspflichten de lege lata leer laufen
cialis. Vergeht zwischen Androhung und Festsetzung eines
Ordnungsgeldes mehr als ein Jahr – was nicht selten ge-schieht –, kann es für eine Wiedereinsetzung zu spät sein, be-
Mangelndes Verschulden
vor das betroffene Unternehmen überhaupt eine Möglichkeithat, gegen das Ordnungsgeld vorzugehen.
Aufgrund der Entschließung des Bundestages wären Kriteri-en vorzuschlagen gewesen, nach denen Ordnungsgelder
Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht
einzelfallbezogen und streng verschuldensabhängig festzu-setzen sind. Im Gesetzentwurf geschieht das Gegenteil: Die
Durch den Gesetzentwurf soll ferner eine Rechtsbeschwerde
Festsetzung eines geringeren als des angedrohten Ord-
zum Oberlandesgericht eingeführt werden (Art. 1 Ziff. 3 RegE;
nungsgeldes ist nicht nur auf den Fall der zuvor erfolgten Of-
neuer § 335a HGB). Eine solche zweite Instanz ist angesichts
fenlegung beschränkt, sondern auch als Muss-Vorschrift
widersprüchlicher Entscheidungen des LG Bonn überfällig.
ausgestaltet (Art. 1 Ziff. 2 RegE). Ein Absehen von der Festset-
Gerade die jüngst bekannt gewordenen erfolgreichen Verfas-
zung, wie in § 390 Abs. 4 S. 2 FamFG vorgesehen, käme damit
sungsbeschwerden (BVerfG v. 17.1.2013 – 1 BvR 121/11,
1 BvR 1295/11, GmbHR 2013, 598 – in dieser Ausgabe) bele-gen dies. Das BVerfG ist als Revisionsinstanz weder vorgese-
Es mag sein, dass die Entwurfsverfasser angesichts des
hen noch geeignet. Zum einen dauert es bis zu einer Klärung
nach wie vor hohen Aufkommens von Ordnungsgeldverfah-
der Rechtslage zu lange (vgl. schon Tromp/Gehrke/Nagler,
ren einen Bearbeitungsstau dadurch fürchten, dass in jedem
GmbHR 2009, 641 ff.). Zum anderen ist das Ergebnis prak-
Einspruchsfall eine Ermessensentscheidung auf der Grund-
tisch wenig ergiebig. In den aktuell entschiedenen Fällen be-
lage der besonderen Umstände getroffen werden muss. Da-
müht sich das BVerfG, dem EuGH nicht zuvorzukommen, der
bei scheinen sie aber nicht an die Aussicht gedacht zu ha-
bereits mit der Frage einer Europarechts-Konformität des
ben, dass die Anzahl der Verfahren sinkt, wenn betroffene Un-
§ 264 Abs. 3 HGB a.F. befasst ist (EuGH Rs. C-528/12, auf Vor-
ternehmen wahrnehmen, dass ein angemessener Umgang
lage durch LG Bonn v. 12.11.2012 – 12 T 169/11, GmbHR
mit den gesetzlichen Sanktionsmitteln stattfindet.
2013, 369 m. Komm. Kuntze-Kaufhold). Die Frage, ob ein Ver-stoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt, bleibt damit offen. Wenn
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
der EuGH – wie zu erwarten ist – eine Ungleichbehandlungder Kapitalgesellschaften mit nicht-inländischer Mutterge-
Im Gesetzentwurf wird in einem neu zu fassenden Abs. 5 des
sellschaft als europarechtswidrig beanstandet, ist aber wenig
§ 335 HGB eine speziell geregelte Wiedereinsetzung in den
gewonnen. Denn de lege lata kann eine Gleichstellung nicht
vorigen Stand vorgesehen, die bei unverschuldeter Fristver-
erfolgen (vgl. Kuntze-Kaufhold, GmbHR 2013, 371 [372]). Da-
säumnis eingreifen soll (Art. 1 Ziff. 2 RegE). Es lohnt, die Bei-
mit droht eine erneute Anrufung des BVerfG, falls der Gesetz-
spiele zu lesen: Schwere Erkrankungen oder Tod eines Al-
geber nicht handelt. Das Beispiel zeigt, wie wichtig rückwir-
leingeschäftsführers, Verlust relevanter Unterlagen durch Na-
kende Regelungen wären. Auch in anderen Fällen haben
turereignisse oder Brände, Nichtherausgabe von Unterlagen
Unternehmen, deren Beschwerden zu Unrecht abgelehnt
durch Dritte. Die Verfasser räumen damit zweierlei ein: Ers-
wurden, von der Einführung einer Rechtsbeschwerde in der
tens, dass selbst in solchen Extremfällen bislang Ordnungs-
nach dem RegE geplanten Fassung nichts. Für zukünftige
gelder festgesetzt wurden (was der Autor aus eigener An-
Beschwerden sieht es ebenfalls schlecht aus. Das Oberlan-
schauung bestätigen kann). Zweitens, dass dies auch zu-
desgericht wird, wenn es nach den Entwurfsverfassern geht,
künftig geschehen soll. Die Verschuldensprüfung wird fak-
nicht mehr auf die Ermessensvorschriften, auf die in § 335
tisch in ein Nachverfahren ausgelagert. Dabei ist ein Antrag
Abs. 2 HGB verwiesen wird, zurückgreifen können. Die Ver-
auf Wiedereinsetzung erst nach Wegfall des Hindernisses
weisung würde weitgehend inhaltslos.
statthaft (neuer Abs. 5 S. 4 des § 335 HGB). Typischen Härtefäl-len wird dies nicht gerecht.
Zudem schieben die Verfasser auch hier eine bestehende
Dass die Akzeptanz der Offenlegung bei den Betroffenen zu
gesetzliche Regelung beiseite. In dem gemäß § 335 Abs. 2
wünschen übrig lässt, verwundert nicht. Es ist alarmierend,
HGB anwendbaren § 17 FamFG ist geregelt: „War jemand
wenn mehrere Jahre nach Einführung des EHUG trotz drako-
ohne sein Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist ein-
nischer Sanktionen in jährlich zweistelliger Millionenhöhe je-
zuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vori-
des zehnte Unternehmen noch nicht rechtzeitig offenlegt,
gen Stand zu gewähren.“ Diese Regelung – in Verbindung
und gleichzeitig 97 % der Ordnungsgeldverfahren gegen
mit dem ebenfalls anwendbaren § 18 FamFG – wäre ausrei-
kleine Unternehmen geführt werden (BT-Drucks. 17/5028).
chend, würde sie konsequent angewandt. Der RegE ver-
Die Entschließung des Bundestages vom 29.11.2012, die auf
schlechtert demgegenüber die Lage Betroffener. Die absolu-
eine Initiative der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu-
te Verfristung des Rechtsmittels nach einem Jahr (neuer
rückgeht, aber mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
§ 335 Abs. 5 S. 7 HGB) entspricht zwar der Regelung in § 18
durchgesetzt wurde (vgl. GmbH intern 49/12, S. 1 f.), ist Aus-
Abs. 4 FamFG. Allerdings enthält § 335 Abs. 3 HGB das impli-
druck eines parteiübergreifend erkannten Reformbedarfs.
zite Gebot einer zügigen Festsetzung, so dass die einjährige
Dass die Verfasser des RegE die erklärte Intention seiner Ent-
Maximalfrist bislang aufgrund des Vorrangs der HGB-Verfah-
schließung umkehren, sollte der Bundestag nicht hinneh-
rensvorschriften erst mit Zustellung des Ordnungsgeldbe-
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