Allgemeinpraxis.ch

BIGORIO 2003
DYSPNOE

Consensus on best practice in Palliative Care in Switzerland
– expert group Swiss Society for Palliative Care –

1. Wo liegt das Problem?
2.2. Evaluation
Bei fortgeschrittenen Krebserkankrungen ist Dyspnoe eine Spezifische Anamnese
häufige Erscheinung. Obwohl es Behandlungsmöglich- keiten gibt, wird Dyspnoe von den Patienten wenig er- – Beginn: akut oder langsam progredient wähnt und von den Fachleute zu selten diagnostiziert.1 – Qualitative Beschreibung – Quantitative Skalen: visuelle oder verbale Analogskalen, 1.1. Definition
– Verschlimmernde Faktoren– Lindernde Faktoren Der Begriff «Dyspnoe» bezeichnet «eine subjektive Erfah- rung von Unwohlsein beim Atmen». Diese kommt in qua- litativ unterschiedlichen Formen und Intensität vor. – Psychisches Erleben: Befürchtungen, psychoso ziale und Dazu tragen physiologische, psychologische und soziale Faktoren bei. Dyspnoe kann auch physiologische und ver- haltensmässige Sekundärreaktionen hervorrufen.2 Multidimensionale Anamnese
– ESAS
2. Weshalb?
– Lebensgeschichte, Lebensqualität– Pläne, Vorhaben 2.1. Welches sind die Ursachen?3
Pulmonale Ursachen
Beobachtung, klinischer Untersuch
Dyspnoe ist definitionsgemäss ein subjektives Gefühl und korreliert nicht notwendig mit objektiven klinischen Befun- den (Tachypnoe, Verwendung Atemhilfsmuskulatur) oder Laborresultate (O2-Sättigung, Anämie).
– Lungenfibrose (Chemo- und Radiotoxizität)– Status nach Lobektomie, Pulmektomie Weitere Untersuchungen
– Möglichst vorbestehende Befunde verwenden Zusätzliche Untersuchungen je nach klinisch vermuteter Ätiologie und realistischen Therapiemöglichkeiten vor- Kardiale Ursachen
– Herzinsuffizienz
3. Was tun?
– Perikarderguss– Pulmonale Hypertension Meist sind gleichzeitig mehrere therapeutische Ansätze nötig. Behandlungen sollen für eine begrenzte Zeit ange- Muskuläre Ursachen
setzt und dann neu evaluiert werden. Kriterien für eine Neu-Evaluation sollen definiert werden. Wer macht die – Lähmung des Zwerchfells– Lähmung der Stimmbänder 3.1. Allgemeine Massnahmen5–7
Zentrale Ursachen
Im Umfeld des Patienten gilt es Folgendes
– Medikamentös induzierte Atemdepression sicherzustellen:
– Stoffwechselstörungen (Fieber, Anämie, Hypoxämie, – Luftstrom in der Nähe des Gesichts: Zimmer lüften, Weitere Ursachen
– Gute Verteilung der Pflege über den Tag; beschränkte Zahl von Untersuchen; nicht zu viele Besuche gleichzeitig BIGORIO 2003
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– Ausruhemöglichkeiten: Stuhl auf der Treppe; keine lan- – Beim Hypoxie-Patienten ist die O2-Sättigung wenn gen Wege; Mahlzeiten unterteilen; energieschonende – Vorsicht bei COPD-Patienten: Gefahr einer Hyperkap- Beziehung zum Patienten und seinen Angehörigen
– O2 kann auch ohne signifikante Verbesserung der Sätti- – Erklären, was vorgeht (Komplikationen, Massnahmen) gung, oder, wenn diese bereits über 90% liegt, klinisch – Angebot von atemerleichternden Massnahmen: Hände auf dem Rücken und an der Seite erleichtern tiefes Ein-atmen 3.3.2 Opiate
– Angehörige unterstützen und einbeziehen– Entspannung, bewusstes Atmen und Atemübungen Wahl der Opiate
– Erste Wahl ist Morphin– Wo Nebenwirkungen dies verhindern, Hydromorphon Zur eigenen Haltung
– Vor dem Eintritt ins Zimmer auf normale Atmung ach- NB.: Die Wirkung anderer Opiate als Morphin ist in der ten, um sich nicht in den Atemrhythmus des Patienten – Ruhig bleiben, ruhige Stimme, kurze Sätze Anfangsdosierung
– Ausbildung und Unterstützung des Pflegepersonals um – Bei Patienten ohne vorhergehende Opiattherapie: besser «da-sein» und «Hilflosigkeit aushalten» zu ler- - Per os: 2.5mg Morphin alle 4 Std (bei sehr alten Per- - Subkutan: 50% der oralen Dosierung– Bei Patienten mit vorhergehender Opiat-Schmerzbe- 3.2. Ätiologische Behandlungen8–10
handlung ist die Tagesdosis um 20–30% zu erhöhen zum Beispiel:
Reservedosierung
– Zusätzlicher Lungeninfekt: Antibiotika – Eine solche ist systematisch zu verschreiben. Sie beträgt – Eine Reservedosis wird bei Dyspnoe-Attacken oder 40 Min. bis 1 Std. vor Ereignissen verabreicht, die zu einer – Bronchiale Tumorobstruktion: Kortikoide, endo-bron- Verschlimmerung des Symptoms führen könnten (z.B. Körperwäsche, Ortswechsel). Genügt dies nicht, so ist – Lymphangiosis carcinomatosa: Kortikoide nach 1 Std. eine weitere Reservedosis zu verabreichen – Dekompensierte COPD: Antibiotika, Kortikosteroide, Anpassung der Behandlung
– Kardiale Dekompensation: Diuretika, Vasodilatatoren, – Tagesdosis und Reservedosis sind anlässlich regelmäs- siger Neuevaluationen in Schritten von 20–30% anzu- – Syndrom der oberen Einfluss-Stauung: Kortikosteroide, passen, bis die bestmögliche Linderung bei kleinstmög- – Nebenwirkung beachten, insbesondere toxische Ne- benwirkungen bei Patienten mit Niereninsuffizienz 3.3. Pharmakologische Symptom
Verabreichungsweise
behandlungen9–17
– Vorzugsweise orale Verabreichung alle 4 Stunden oder in Form von Opiaten mit retardierender Wirkung 3.3.1: Sauerstoff
– Bei Schluck- und Aufnahmeproblemen ist eine subkuta- ne Verabreichung alle 4 Stunden oder kontinuierlich zu – Die Wirksamkeit von O2 ist nachgewiesen bei: – Dekonditionierten Nicht-Krebspatienten mit Kachexie: – Die Wirksamkeit inhalierbaren Morphins konnte z.Z. in O2 verringert den O2-Verbrauch bei Anstrengungen randomisierten Studien nicht erwiesen werden – COPD-Hypoxie im Ruhezustand oder mit Entsättigung – Die Indikation von Sauerstoff hängt von der Klinik und BIGORIO 2003
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3.3.3. Anxiolytika
Sonder-Thema: das «Rasseln»
sterbender Patienten
– Ist die Angst sekundär zur Dyspnoe, so ist in erster Linie die Dyspnoe zu behandeln (spezifische und symptoma- Definition
– Ist im Gegenteil die Dyspnoe der somatische Ausdruck Geräuschvolle Atmung, verursacht durch Luftturbulenten panischer Anfälle oder ist die Angst ko-existent, so ist in den Sekreten, die sich bei terminalen Patienten im Oro- eine medikamentöse Anxiolyse angezeigt, z.B.: pharynx und in den Bronchialästen ansammeln, wenn die- – Kurzwirkende Benzodiazepine: Lorazepam (Temesta®) se nicht mehr in der Lage sind, diese durch Husten oder 0,5 – 1 mg alle 8 Std sublingual, titrieren.
– Bei einem zusätzlichen Delirium sind Benzodiazepine zu vermeiden und ein Neuroleptikum vorzuziehen (vgl. Risikofaktoren: Lungen- und / oder Hirntumor – Nieder dosierte Neuroleptika: Levopromazin (Nozinan®) 6,25 bis 12,5 mg alle 6–8 Std po oder sc, vor allem wenn diese dem Patienten auch noch durch ihre anti- cholinergische Nebenwirkung helfen (z.B. durch Aus-trocknen der broncho-trachealen Sekretion) Allgemeine Massnahmen
– Erklärung der Ursache zur Beruhigung der Angehöri-
3.3.4 Atem-Physiotherapie
– Seitliche oder sitzende Lagerung – Das Absaugen wird im allgemeinen nicht empfohlen – Ziel: den Patienten auf sanfte und wirksame Art von – Die Hydratation ist auf das für den Stoffwechsel Not- Sekreten befreien, Hypoventilation bekämpfen, Förde- wendige zu reduzieren (bspw. 500ml / 24 h) – Mundpflege (Achtung: Mundtrockenheit wird durch – Mittel: Massagen, Vibrationen, Verlängerung der Aus- Medikamentöse Massnahmen
– Erwägen einer Testdosis Diuretika, um eine Mitverursa-
3.4. Refraktäre Dyspnoe
chung durch kardiale Dekompensation auszuschliessen (z.B. Lasix® sc) – Generelle Neu-Evalutation der Ätiologie und der thera- – Glykopyrolat (Robinul®) sc 0,2mg. Falls nach 1 Std eine – Hospitalisierung oder Konsultation bei Spezialist disku- Wirkung ausbleibt, 0,4 mg alle 6 Std oder 1,2-2 mg sc – Falls alle weiteren Massnahmen versagen: Sedation dis- – Scopolaminbutylbromid (Buscopan®) sc 20 mg. Falls kutieren (vgl. Empfehlungen Bigorio 2005) nach 1 Std eine Wirkung eintritt, Einrichten einer dau-erhaften Infusion 60–120 (–240) mg / 24 Std.
3.5. Komplementäre Therapien bei
– Scopolamin (Transcop®) Patch, alle 72 Std. zu erneuern. Achtung: Delirium-Gefahr! In der Schweiz nicht erhält-lich – Kleinere randomisierte Studien haben eine Besserung - Levomepromazin (Nozinan®) 6,25 mg sc, max. 2–3x der Dyspnoe bei Patienten mit mittleren bis schwerem COPD durch Akupunktur und Akupressur nachgewie-sen.
Die Behandlung ist in 80% der Fälle wirksam, in 20% der – Progressive Muskelentspannung hat sich gegen Dys- Fälle nicht, insbesondere bei Lungenoedemen und Lun- pnoe bei COPD und Lungenkrebs als wirksam erwiesen geninfekten (evtl. ist eine spezifische antibiotische Thera- – Atemübungen mit gleichzeitigen Unterstützungsstrate- gien helfen, Dyspnoe zu verringern und die körperliche Durch die Beruhigung der Angehörigen, durch deren Unterstützung und eine anticholinergische Behandlung kann die Situation meist gelindert werden.
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Source: http://www.allgemeinpraxis.ch/phocadownload/Leitlinien/leitlinie%20dyspnoe.pdf

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